Atlas des Lebens
Wissenschaftler präsentieren die erste globale Übersicht der Verbreitung der Artenvielfalt landlebender Wirbeltiere.
Ein Team internationaler Forscher, zu dem auch Allwetterzoo-Artenschutzkurator, Dr. Philipp Wagner gehört, hat den “Atlas of Life” komplettiert und zu den bereits bekannten Wirbeltieren nun die Reptilien hinzugefügt. Damit präsentieren sie die erste globale Biodiversitätskarte für alle Arten der terrestrischen Wirbeltiere publiziert. Die Karte inklusive der dahinter liegenden Rohdaten zeigt, dass viele wichtige Regionen der Artenvielfalt bisher nicht erkannt wurden, da Reptilien andere Verbreitungsschwerpunkte haben als die anderen Wirbeltiergruppen. Daher sind die Daten ein Grundstein für nationale und internationale Artenschutzstrategien.
Die 39 Wissenschaftler haben über zehn Jahre einen Atlas der weltweiten Reptilienarten erstellt und mit den bereits publizierten Katalogen der Säuger, Vögel und Amphibien verknüpft. Herausgekommen ist ein weiteres Puzzlestück um die Artenvielfalt auf unserer Erde zu verstehen und es lässt sich feststellen, dass auch in bisher kaum beachteten Regionen der Erde Artenschutzstrategien dringend notwendig sind. Teil der Publikation ist eine Verbreitungskarte der landlebenden Wirbeltiere. Während die entsprechenden Karten der Vögel, Säuger und Amphibien bereits 2006 publiziert wurden, fehlten für viele der Reptilienarten zu dieser Zeit die notwendigen Informationen. Und so hat es zehn Jahre gedauert bis die über 10.000 Arten nun der Biodiversitätskarte hinzugefügt werden konnten.
„Diese Karten über die globale Verbreitung der Artenvielfalt sind wichtig um möglichst effektive Artenschutzstrategien entwickeln zu können, denn nur wenn wir wissen wo die Arten warum vorkommen und vor allem wo besonders viele oder hochspezialisierte Arten vorkommen, können wir effektive Schutzmaßnahmen entwickeln.“, sagt das Mitglied der Forschergruppe Dr. Philipp Wagner, Kurator für Forschung und Artenschutz am Allwetterzoo in Münster und ehrenamtlich assoziierter Wissenschaftler der Zoologischen Staatssammlung in München.
Um eine solche Karte entwickeln zu können braucht es viel Wissen, was die hohe Autorenzahl der in Nature Ecology & Evolution veröffentlichten Studie erklärt. Unter der Leitung von Forschern der Universitäten in Oxford und Tel Aviv haben Wissenschaftler von 30 Institutionen ihr Wissen zusammengetragen und einen Reptilien-Atlas zusammengetragen der die Verbreitungsgebiete von über 10.000 Arten der Echsen, Schlangen und Schildkröten umfasst.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass bisher bei Artenschutzbemühungen nur wenig berücksichtigte Regionen eine sehr fragile Biodiversität beherbergen die es zu schützen gilt. Das sind zum Beispiel die Arabische Halbinsel, die Levante, Trockengebiete im inneren Südafrikas, asiatische Steppen, die zentralen australischen Wüsten, die hochmontanen Regionen der Anden und das brasilianische Caatanga Buschland.
Philipp Wagner, unter anderem Spezialist für Echsen der Trockengebiete in Afrika und Asien, führt weiter aus, dass „zahlreiche Echsenarten nicht mit anderen Wirbeltieren vergleichbare Verbreitungsgebiete haben, da sie trockene und heiße Habitate bevorzugen. Daher sind viele der jetzt erkannten Gebiete für prioritäre Artenschutzbemühungen Trockengebiete und Wüsten. Diese konnten wir mit den bisherigen Daten für Vögel, Amphibien und Säuger nicht erkennen, da diese Gruppen in solchen Lebensräumen sehr viel artenärmer sind. Zudem haben wir es hier mit teilweise hochspezialisierten Arten zu tun, denen der Klimawandel zusätzlich Probleme bereiten wird.“
Dr. Uri Roll von der Ben Gurion University of the Negev, Leiter der publizierten Studie, merkt an: „Das wir vor allem in den Trockengebieten vitale Biodiversitätsregionen vorfinden hat auch Vorteile, denn die Preise für Land sind dort relativ niedrig. Allerdings steigen auch hier bereits wirtschaftliche Begehrlichkeiten, zum Beispiel in Form von Solarkraftwerken oder großen Bewässerungsprojekten.“ Wagner fügt an: „Hier gilt es Strategien für den Artenschutz zu entwickeln um diese fragilen Lebensräume zu schützen, deren Wert für die Artenvielfalt nicht geringer ist als beispielsweise der der Regenwälder.“ Professor Shai Meiri von der Tel Aviv University, sagt, dass „nun Wissenschaftler zum ersten Mal in der Lage sind die Gesamtverbreitung der terrestrischen Wirbeltiere zu betrachten. Der Artenschutz hat nun ein Gesamtpaket an Daten um Strategien auszurichten, was sicherlich zu einer Stärkung der Bemühungen führen wird.“
„Möglich war dies nur, weil sich Experten zusammen gefunden haben, die selbst bei seltenen Arten aus den entlegensten Gebieten noch über genug Wissen verfügen um die Arten bewerten zu können. Schon das zeigt mit welchem Meilenstein wir es hier zu tun haben.“, führt Wagner aus.
Die Internationale Artenschutzorganisation IUCN hat bereits begonnen die in der Studien genutzten Daten über Reptilien zu bewerten und in ihren Roten Listen zu klassifizieren. Sobald dies abgeschlossen ist, werden die Rohdaten interaktiv für den freien Gebrauch zu Verfügung gestellt werden.